Multiverse: Slipjoint-Feder, der Endgegener

Was war die größte Herausforderung bei der Entwicklung des Multiverse? Mit großem Abstand war das die Auslegung der Slipjoint-Feder. Klassischerweise gilt oft der Grundsatz, je strammer die Feder desto besser. Das konnte ich allerdings nicht auf das Multiverse anwenden weil es mit einer Hand geöffnet werden soll und dadurch der Widerstand beim Öffnen gering und erst beim Schließen groß sein muss.

Um diesen vermeintlichen Gegensatz in Einklang zu bringen, wären unzählige Prototypen notwendig gewesen nach dem Prinzip "Trail and Error". Durch meinen Beruf als Berechnungsingenieur war mir jedoch schnell klar, dass ich das perfekte Werkzeug zur Verfügung habe, um das Problem deutlich effektiver zu lösen. Denn mit der Finite-Elemente Methode lassen sich Bauteile aus beispielsweise Stahl oder Titan berechnen. Wer mehr dazu erfahren möchte, kann sich gerne mein Youtube Video zur FEM ansehen: https://youtu.be/RRKT0VvgK0I

Zu den Berechnungsergebnissen zählen zum einen die Spannungen im Bauteil aber auch die Kräfte & Drehmomente die dieses Bauteil auf andere Komponenten ausübt wenn es verformt wird. Genau das habe ich benötigt, denn damit konnte ich den Widerstand der Klinge beim Ein- und Ausklappen genau analysieren.

Die obere Abbildung zeigt die Spannungsverteilung in der Slipjoint-Feder, was zunächst der optischen Kontrolle dient, z.B. ob die Beanspruchung plausibel ist. Zum anderen kann damit die maximale Spannung in der Feder identifiziert werden und mit dem Wissen konnte ich die Festigkeit des Federwerkstoffs für meinen OEM Partner Reate definieren. Die Festigkeit musste so gewählt werden, dass die Feder immer im elastischen Bereich des Werkstoffs arbeitet. Ansonsten würde sich die Feder beim Gebrauch dauerhaft verformen und ihre Spannung verlieren.

Diese Berechnung wurde in allen Positionen der Klinge durchgeführt. Neben der Spannungsdarstellung habe ich das Drehmoment analysiert, was aufgewendet werden muss, um die Klinge zu bewegen. Warum das Drehmoment eine bessere Größe als die Federkraft ist, um die Stärke einen Slipjoints zu beschreiben, habe ich in einem separaten Blogbeitrag beschrieben: https://shorturl.at/JaCkh
 
Diese Berechnungs- und Auswertungsvorgehensweise habe ich bei über 30 Designvarianten durchgeführt, um den perfekten "Walk and Talk" (Klingengang) sicherzustellen. Das Zusammenspiel zwischen Feder und Geometrie der Klingenwurzel ist dabei ausschlaggebend. Ich habe schnell gemerkt, dass ich unmöglich 30 Prototypen hätte anfertigen lassen können. Das hätte zum einen mehrere Jahre gedauert und wäre auch finanziell nicht umsetzbar gewesen. In diesem Beitrag möchte ich euch den ersten, initialen Entwurf und den finalen Stand zum Serienmesser zeigen.
 
Wir beginnen mit dem finalen Serienstand und vergleichen diesen anschließend mit dem allerersten Entwurf. Im folgenden Diagramm ist der Drehmomentverlauf des Serienmessers abgebildet. Auf der X-Achse ist der Winkel aufgetragen den die Klinge beim Öffnen und Schließen durchläuft und auf der Y-Achse das Drehmoment um die Federspannung zu überwinden. Zum besseren Verständnis habe ich den Verlauf in 5 Schritte unterteilt. Zunächst ist das Messer geschlossen (0°) und durchläuft während dem Öffnen die schwarze Linie. Das Drehmoment zeigt steil an bis ca. 160 Nmm (ähnlich wie bei einem Detentball) und bleibt anschließend annährend gleich bis das Messer bei 140° fast vollständig ausgeklappt ist. Durch das gleichbleibende Drehmoment auf niedrigem Level wird ein komfortables Öffnen mit einer Hand sichergestellt. Kurz bevor das Messer vollständig geöffnet ist, fällt das Drehmoment jedoch rapide ab und geht in den grünen Verlauf über bis der maximale Öffnungswinkel von 169° erreicht ist. Nun ist das Messer komplett ausgeklappt. Das Drehmoment fällt schnell ab und wird  negativ. Die negativen Werte bedeuten, dass sich die Richtung des Drehmoments umgekehrt. Vereinfacht gesagt, wird die Klinge eingezogen und rastet stramm ein ohne weitere Kraft durch die Hand aufzubringen.
 
Um das Messer zu schließen, muss ein Drehmoment von über 600 Nmm aufgebracht werden, was fast das 4-fache im Vergleich zum Öffnen ist. Der Nutzer hat also trotz des Slipjoint Mechanismus eine gute Haltekraft der Klinge. Nachdem das maximale Drehmoment überwunden wurde, sinkt es auf ein Niveau von ca. 50 Nmm (roter Verlauf), was für ein angenehmes Gefühl beim Schließen sorgt. Es ist sogar möglich, das Messer direkt in das Heft einschnappen zu lassen wenn man es etwas schneller anstößt beim Schließen. Die rote Linie geht bei ca. 25° in die blaue Linie über, wenn das Drehmoment das Vorzeichen wechselt. Ab diesem Punkt wird die Klinge von selbst in das Heft gezogen und gehalten. Diese Charakteristik lässt es wie einen Detent Mechanismus wirken.
 
Bis zu dieser Kennlinie war es jedoch ein weiter Weg. Deshalb möchte ich euch den Vergleich zwischen der Kennlinie des ersten Entwurfs und dem Serienmesser zeigen. Im folgenden Diagramm seht ihr in schwarz den Drehmomentverlauf des Serienmessers aus dem ersten Diagramm und in orange den des ersten Entwurfs. Das Drehmoment des ersten Entwurfs liegt insgesamt auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Zum einen lässt sich das Messer mit weniger Widerstand öffnen, was in diesem Fall zu unsicher war. Zum anderen liegt das maximale Drehmoment zum Schließen bei 200 Nmm. Dadurch wurde das Messer nicht stark genug im geöffneten Zustand gehalten und war für viele Schneidaufgaben nicht geeignet. Beim Serienmesser konnte dieser Wert verdreifacht werden auf ca. 600 Nmm und bietet nun genügend Sicherheit.
 
 
Ich bin unglaublich froh euch nun diesen durchentwickelten Slipjoint Mechanismus an meinem Multiverse vorstellen zu können und freue mich über euer Feedback. 
 
Release des Multiverse:   So. 01.12. - 10 Uhr 
 
Beste Grüße, David
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