Multiverse: Griff-Design mit Simulationssoftware

Wer hat sich eigentlich schon einmal gefragt was bei der Entwicklung von Messergriffen zu beachten ist? Was ist wichtig? Gar nicht so einfach zu beantworten.
 
Für mich sind es im Wesentlichen vier Kriterien. Der Griff des Messers muss ergonomisch sein, also gut in der Hand liegen. Der Griff muss ästhetisch sein, sich in das Gesamtdesign des Messers nahtlos einfügen. Er muss aber auch stabil sein, damit er die Belastungen des Alltags problemlos verkraften kann. Stabilität alleine reicht jedoch nicht, denn wenn das Messer zu schwer ist, hat man keine Freude es zu tragen. Deshalb muss der Griff so leicht wie möglich sein. 
 
Speziell die beiden Kriterien Stabilität und Leichtigkeit stehen im Gegensatz zueinander. Denn vereinfacht gilt, mehr Material, mehr Stabilität. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn durch clevere geometrische Gestaltung lässt dieses Prinzip bis zu einem gewissen Grad aushebeln. Dazu ist es nötig einen detaillierten Einblick in die Beanspruchung der Griffschale zu bekommen. Das lässt sich mit modernster Ingenieurssoftware realisieren. Deshalb wurde die Entwicklung der Multiverse Griffschalen mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode durchgeführt. Das sind Simulationen die auf Gleichungen aus der Physik basieren. Es ist wie als wenn ein realen Test durchführt wird, nur rein virtuell im Computer. Ich verwende dazu die OpenSource Software "FreeCAD". Eine ausführlichere Erklärung findet in meinem Youtubevideohttps://youtu.be/RRKT0VvgK0I
 
 
Als repräsentativer Belastungsfall wurde ein Gegeneinanderdrücken der Griffschalen simuliert, denn die Nachgiebigkeit stellt ein Qualitätskriterium dar. Wer möchte schon ein Messer das sich merklich zusammendrücken lässt? Dazu wurden 100 N (entspricht einer Gewichtskraft von ca. 10 kg) auf den mittleren, unteren Bereich der Griffschale aufgebracht. Die Berechnungsergebnisse sind die Spannungen und Verformungen. Ich konnte direkt feststellen wie groß die Verformung der Griffschale ist, also wie weit sie sich nach innen gebogen hat.
 
Es spielt keine Rolle aus welchem Material der Griff gefertigt wird, er wird sich immer etwas Verformen. Mit der Wahl des Materials und der Geometrie lässt sich die Verformung aber steuern. Die Verformung wird im elastischen Bereich hauptsächlich durch den Elastizitätsmodul beeinflusst. Dieser beträgt bei Stahl 210.000 MPa, bei Titan Grade 5 (Ti6Al4V) 110.000 MPa und bei Aluminium 70.000 MPa. Je höher, desto schwieriger lässt sich das Bauteil verformen. Darüber hinaus sind auch die Festigkeitseigenschaften wichtig wie Streckgrenze und Zugfestigkeit. Die Erklärung dazu würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, deshalb erscheint dazu eventuell ein gesonderter Blogbeitrag.
 
 
Nun kennt ihr die grundsätzliche Vorgehensweise der Berechnung. Diese habe ich genutzt um unterschiedliche Designvarianten zu berechnen. Begonnen wurde mit einer Griffschale die von der Innenseite nicht ausgefräst wurde. Die maximale Verformung liegt hier bei 0,11 mm. Das Gewicht ist mit 31,6 g hoch. Die detaillierte Verformungsverteilung ist in der nächsten Abbildung dargestellt.
 
Anschließend wurde ein klassisches Muster simuliert, das im Marktumfeld oft gesehen wird. Die Bearbeitungszeit der Fräsmaschine ist dabei moderat, denn es sind wenige großflächige Geometrien die das Fräswerkzeug abfahren muss. Die maximale Verformung beträgt 0,32 mm bei einem Griffschalengewicht von 23,0 g. Nun hätte ich es mir einfach machen können, diese Variante für die Serienproduktion festzulegen. Das wäre zeitsparender und viel einfacher für meinen OEM Partner Reate gewesen. Aber mir war schnell klar, dass das nicht der optimale Kompromiss zwischen Stabilität und Gewicht ist.
 
 
Deshalb wurden andere, unterschiedliche Muster getestet die aus dem Flugzeugbau bekannt sind, denn nirgends sonst kommt es so stark auf Gewichtseinsparung an. Schlussendlich hat sich die Bienenwabenstruktur (Honeycomb) als überlegen herausgestellt. Dabei wurde eine deutlich reduzierte Verformung von 0,24 mm (-25 %) bei annähernd gleichbleibendem Gewicht von 23,7 g erzielt. Die Verformungen sind recht gering aber der Vergleich untereinander zeigt, wie die verschiedenen Fräsmuster bei größeren Kräften und anderen Belastungssituationen reagieren würden. 
 
Mit der Bienenwabenstruktur konnte das Gewicht an einer Griffschale um 7,9 g reduziert werden. Die Ersparnis von 15,8 g beim gesamten Messer kann darüber entscheiden, ob es gerne getragen oder als Hosentaschenbeschwerer wahrgenommen wird.  
 
Die Größe der einzelnen Waben unterliegt einer weiteren Einschränkung denn die Ecken müssen mit einem üblichen Fräswerkzeugradius hergestellt werden. Das finale Wabenmuster erfüllt dieses Kriterium und reicht bis in den Bereich vor der Achsschraube in Richtung der Klinge, damit kein Leichtbaupotenzial verschenkt wird. Die Auflageflächen der Klingenlagerung sowie Passungen und Gewinde wurden ausreichend ausgespart, um dort keine potenziellen Schwachstellen hervorzurufen. Als Ergebnis kleidet sich das Multiverse in Griffschalen die bis ins letzte Detail durchentwickelte sind und deren Reifegrad schwierig zu finden ist. 
 
 
Ich bin mir sicher ihr werdet mit dem Multiverse ebenso viel Freude haben wie ich bei der Entwicklung!
 
Voraussichtlicher Release: Anfang Dezember 2024 
 
Beste Grüße, David
Zurück zum Blog