Slipjoints sind Klappmesser bei denen die Klinge durch Federspannung gehalten wird wie z.B. bei den meisten Schweizer Taschenmesser. Häufig wird in Verbindung mit Slipjoints über die Federkraft beim Öffnen oder Schließen gesprochen. Die Angabe der Federkraft kann jedoch irreführend sein. Das liegt an zwei Eigenschaften aus der technischen Mechanik denen wir uns in diesem Blogbeitrag widmen wollen. Denn genau vor der Interpretation dieses Problems stand ich bei der Entwicklung der Multiverse Slipjoint-Feder. In diesem Blogbeitrag möchte ich die Fallstricke bei der Interpretation der Federkraft aufzeigen und beschreiben weshalb das Drehmoment die bessere Größe ist um die Stärke eines Slipjoints anzugeben.
Es geht dabei zum einen um die Kraftrichtung zur Achsschraube bzw. dem Winkel in dem die Kraft wirkt. Das zweite Problem ist der Abstand zwischen Achsschraube und der Position an der die Federkraft angegeben oder gemessen wird.
Zunächst beschäftigen wir uns mit dem ersten Punkt und schauen wir uns an, wie die Kraft an der Klinge wirkt. Als Beispielmesser verwende ich das Multiverse zur Veranschaulichung. Die untere Abbildung zeigt zwei Richtungen in der die Kraft auf die Klinge wirkt um diese zu schließen. Betrachten wir zunächst die rechte Position. Der schwarze Pfeil beschreibt die Richtung der Kraft die durch die Hand aufgebracht wird. Die Länge beschreibt die Höhe der Kraft. Die schwarze gestrichelte Linie ist der Hebelarm zwischen Achsschraube (Rotationsachse) und der Kraft. Wenn die Kraft durch die Hand nicht im 90° Winkel zum Hebelarm aufgebracht wird, teilen sich die Kräfte in zwei Komponenten auf (F1 und F2). In diesem Fall liegt der Winkel bei 120°. Nur die Kraft F2 arbeitet aktiv gegen die Slipjointfeder weil diese 90° zum Hebelarm steht. Die Kraftkomponente F1 hat die Richtung des Hebelarms und trägt nicht zur Überwindung des Slipjoint-Widerstands bei.
Kräfte und Drehmomente beim Slipjoint
Wie wichtig die Kraftrichtung ist, wird deutlich wenn wir die linke Position im Vergleich betrachten. Die Höhe der Kraft ist identisch. Durch die Klingengeometrie ändert sich jedoch der Winkel zum Hebelarm, der nun bei 100° und damit deutlich näher an 90° liegt. Das führt dazu, dass die Aufteilung der Kraftkomponenten weniger ausgeprägt ist. Vereinfacht gesagt, kann dieses Phänomen dazu führen, dass ich je nach Kraftrichtung die Klinge schließen kann oder nicht. Anders herum bedeutet es auch, dass ich je nach Richtung eine größere oder geringere Kraft durch die Hand aufbringen muss um die Klinge zu schließen. Das ist ein großes Problem beim Vergleich von Federkraftangaben.
Bis hierhin haben wir nur die Kraftrichtung geändert aber an der gleichen Position eingeleitet. Ein weiteres, noch gravierenderes Problem ist, dass sich die Kraft deutlich ändert wenn die Position der Krafteinwirkung geändert wird. Das liegt daran, dass bei einem rotierenden System das Drehmoment die korrekte Beschreibungsgröße und die Kraft eher ein Hilfsmittel ist. Die Kraft wird zwar benötigt um das Drehmoment zu berechnen aber dabei wird der Hebelarm immer mit berücksichtigt. Die Formel lautet M = F * L (Drehmoment = Kraft * Hebelarm) Mit dem Rechenbeispiel aus der nächsten Abbildung wird es klarer.
Das Drehmoment um den Widerstand der Slipjoint Feder zu überwinden, bleibt immer gleich. In diesem Fall liegt es bei 600 Nmm. Das sind 0,6 Nm. Wenn die Position der Krafteinleitung verändert wird, ändert sich jedoch der Hebelarm zur Rotationsachse von 43 mm zu 82 mm. Dadurch muss sich zwingend die Kraft ändern die zum Einklappen der Klinge aufgewendet werden muss, denn das Drehmoment bleibt gleich. Genau diese Veränderung der benötigten Kraft zeigt sich im Rechenergebnis, denn durch den Positionswechsel wird die Kraft fast halbiert von 14 N auf 7,3 N. Die Kraftangabe in Newton (N) kann zum besseren Verständnis in ein Gewicht umgerechnet werden. 14 N entsprechen ca. 1,43 kg und 7,3 N entsprechen ca. 0,74 kg. Die Kräfte müssen nun noch über den Winkel in die tatsächliche Handkraft umgerechnet werden (16,2 N bzw. 1,65 kg rechts und 7,4 N bzw. 0,75 kg links). Hier zeigt sich wieder die Auswirkung des ersten Problems (Kraftrichtung) denn die Abweichung der tatsächlich wirkenden Kraft F2 im Vergleich zur Handkraft ist rechts höher, weil dort der Winkel stärker von 90° abweicht.
Die beiden Phänomene, Kraftrichtung und Krafteinleitungsposition, machen es unmöglich Slipjoint Kraftangaben miteinander zu vergleichen ohne die Kraftrichtung und die Position genau zu definieren und gleich zu halten. Das Problem der Kraftposition kann jedoch mit der Angabe des Drehmoments ausgehebelt werden, denn dieses bleibt gleich, egal an welcher Stelle die Kraft eingeleitet wird.
In einem weiteren Artikel zeige ich euch wie ich mit den Überlegungen aus diesem Blogbeitrag die Slipjoint Feder vom Multiverse entwickelt habe. Dazu habe als Werkzeug moderne Simulationsmethoden benutzt: https://shorturl.at/dxwTs
Release des Multiverse: So. 01.12. - 10 Uhr